Wo ist der Sommer? Wo bin ich?
Was passiert, wenn ein Zen-Lehrer seine eigenen Ratschläge befolgt?
Mir fällt auf, dass ich oft gar nicht wirklich da bin.
Ständig ist irgend etwas dringendes zu erledigen. Ein wichtiger Termin. Ein wichtiges Projekt. Eine wichtige Veranstaltung.
Ständig bin ich mit Gedanken beschäftigt, die mich in die Zukunft (oder auch in die Vergangenheit) führen.
Ich frage mich, wie es mir dieses Jahr gelingt, den Sommer wirklich zu genießen.
Das erinnert mich daran, dass ich ja eigentlich – unter anderem 😇 – ein Zen-Lehrer und -Coach bin, der genau das unterrichtet.
Was würde es bedeuten, wenn ich mein Wissen und meine Erfahrung für mich selbst anwenden würde?
Ich würde mich hinsetzen.
Ein bisschen meditieren.
Ein bisschen zeichnen.
Ein bisschen schreiben.
Und dabei genießen, dass Sommer ist.
Und dass ich lebendig und (einigermaßen) gesund bin.
Innezuhalten bedeutet: Die gewohnten Ablenkungsmuster zu unterbrechen.
Mir fällt auf, dass dazu aber ein gewisses Maß an Frustrationstoleranz nötig ist.
Denn ich ertappe mich dabei, dass mein erster Impuls eigentlich wäre, mir noch rasch ein Stück von Monas leckerem Kuchen in den Mund zu stopfen. Oder schnell das Handy auf wichtige Emails zu checken. Oder ein paar Nüsse zu futtern …
(Kennst du das auch? Wie ist das bei dir? Wie lenkst du dich am liebsten ab?)
Ok.
Keine faulen Ausreden.
Keine hinterlistigen Ablenkungsmanöver.
Ich setze mich also – mitten am Nachmittag! – im Garten auf mein Kissen, und darf jetzt ausnahmsweise einfach mal nur so da sein.
Atmen.
Die Hitze spüren.
Den Vögeln zuhören.
Eine leichte Brise spüren.
Das fühlt sich jetzt gerade ein bisschen so an, wie wenn der Autobus, in dem ich fahre, abrupt stehenbleibt.
Diese Verlangsamung meines Tuns zwingt mich dazu, erst mein Gleichgewicht wiederzufinden.
Ich kritzle – ganz langsam – ein paar Zeilen in meine Notizbuch.
Dann sitze ich weiter.
Ich kann mich selbst dabei beobachten, wie ich langsam in diesem Moment ankomme.
Wie ich zu mir zurück komme.
Zur Besinnung komme.
Zu meinen Sinnen zurückkomme.
Ich mache mir mein Sehen bewusst.
Mein Hören.
Mein Riechen.
Mein Schmecken.
Mein Fühlen.
Spannend. Einfach mal nur so da zu sein.
Ohne eine bestimmte Absicht.
Einfach nur in mich und meine Sinne hinein lauschen.
Mich von diesem Moment berühren lassen.
Plötzlich rieche ich den betörenden Duft des Holunders, der um die Ecke weht.
Und die Rosen.
Höre das Blubbern einer Wasserpumpe.
Und einen Flieger. Ganz weit weg.
Der Wind streichelt über meine Haut.
Mir wird klar:
Ich muss den Sommer nicht länger suchen.
Er ist schon da.
Hier.
Bei mir.
Er hat auf mich gewartet.
Ich muss nur die Augen öffnen.
Und die Ohren.
Und mein Herz.