Wieso ist hier alles so unheimlich sauber?
Endlich der lang ersehnte Durchbruch in meiner Zen-Praxis: Beim Onigiri-essen im Park! Und zum Abschluss noch ein seltenes Zitat aus der Ting-Periode
Wenn du in Japan unterwegs bist, dann fällt dir wahrscheinlich auf, wie sauber es hier überall ist.
Die öffentlichen Orte, die Parks, die Straßen: alles ist blitzblank.
Selbst in der U-Bahn hast du das Gefühl: Hier kann man vom Boden essen!
Es ist so sauber, dass es fast schon ein bisschen unheimlich ist. (Und das sage ich als Vorarlberger, wo wir diesbezüglich auch nicht unbedingt schlecht unterwegs sind.)
Nirgends liegt Müll herum!
Nicht das kleinste Stückchen Dreck. Nicht einmal Kaugummis kleben am Boden!
Und dabei ist es nicht so, dass die Menschen hier keinen Müll produzieren würden.
Im Gegenteil!
Sie lieben es, auch die kleinsten Artikel schön säuberlich zu verpacken.
Manchmal tun sie das kunstvoll und voller Sorgfalt.
In vielen Fällen kannst du aber nur noch den Kopf schütteln: An jeder Straßenecke ein Convenience-Store. Überall Getränkeautomaten. Alle Snacks und Getränke: in Kunststoff verpackt.
Was mich am meisten verblüfft hat
Aber weißt du, was mich am meisten verblüfft hat?
Du findest hier nirgends Mülleimer!!! Keinen einzigen!
Nicht auf der Straße. Nicht im Park. Nicht am Bahnhof. Auch nicht in öffentlichen Gebäuden.
Wenn du z.B. in einer öffentlichen Bibliothek auch nur ein Stück Papier wegwerfen willst: Fehlanzeige! Dafür gibt es keinen Behälter.
Wie ist das möglich? Wie machen die das?
Verpackungsweltmeister. Aber keine Mülleimer? Und trotzdem herrscht peinliche Sauberkeit?!
Eigentlich paradox. Fast ein kleines Zen-Koan.
Dann: Spontante Erleuchtung!
Naja. Zumindest beinahe.
Jedenfalls bringen meine Nachforschungen doch noch etwas Licht ins Dunkel.
For here or to go?
So gilt in Japan das Prinzip gomi mochi-kaeri. Das bedeutet, dass man seinen Müll grundsätzlich nicht zurücklässt, sondern wieder mit nach Hause nimmt.
Faszinierend!
Es wird dir also nicht leicht gemacht, deinen Mist einfach und bequem in der nächsten Tonne zu “ent-Sorgen”. Vielmehr wirst du quasi dazu gezwungen, ihn wieder einzupacken.
Die “Sorge”, und damit die Verantwortung, bleiben zunächst einmal: bei dir.
Für Sauberkeit zu sorgen lernen die Kinder hier schon in der Schule. Sie sind z.B. selbst für die Reinigung ihrer Klassenräume verantwortlich. Ähnlich wie beim Zen-Retreat, wo es in vielen Zentren “soji” gibt - also eine eigene Reinigungszeit, reinigen die Schüler täglich - meist nach dem Mittagessen - in kleinen Gruppen abwechselnd Klassenzimmer, Flure, Toiletten und andere Bereiche ihrer Schule.
Sauberkeit wird so zur Gemeinschaftsaufgabe. Und Mist einfach wo liegen zu lassen gilt dann nicht nur als unhöflich, sondern als respektlos gegenüber der Gemeinschaft.
Oha!
Nachdem ich meinen leckeren Onigiri-Snack im Park genüsslich verputzt habe, falte ich - mit einem leisen Seufzen - die übriggebliebene Verpackung also wieder schön säuberlich zusammen und stopfe sie in meinen Rucksack.
Da fällt mir noch ein berühmtes Zitat ein. Ich glaube, es ist aus der Ting- oder aus der Tang-Periode, und geht ungefähr so, oder so ähnlich:
“Mülleimer sind nur eine Illusion.
Ein Problem verschwindet nicht,
wenn wir es in einen Kübel stecken.
Wahre Reinlichkeit bedeutet,
keinen Mist zu hinterlassen.”Zen-Meister Miso Roshi