Glaub nicht alles, was du denkst
Über die Kunst und die Gabe, Gedanken einfach kommen und gehen zu lassen
Beim letzten Kobun-Erinnerungs-Sesshin in Puregg habe ich meinen Dharma-Bruder (und Künstler) Alexander Titz getroffen, der in seiner Heimat im Saarland eine Zen-Werkstatt betreibt.
Bei diesen Sesshins ist es üblich, dass die ehemaligen Kobun-Schüler:innen abwechselnd Vorträge halten.
Alexander ist einer dieser ‘alten Hasen’, und er wähle als Vortragsthema den japanischen Zen-Meister Bankei Yotaku (1622-1693). Bankei war berühmt für seine “Zen-Lehre vom Ungeborenen”.
Kürzlich bin ich auf folgende Worte von Meister Bankei gestoßen, die ich gerne mit dir teilen möchte:
Gedanken kommen aus dem Ungeborenen hervor
und kehren dorthin zurück.
Wenn du ihnen nicht folgst,
bleibt dein Herz frei.Verblendung entsteht nicht durch Gedanken,
sondern dadurch,
dass du ihnen nachläufst.Wenn du lernst, Gedanken kommen und gehen zu lassen,
ohne dich zu verfangen,
wirst du sehen,
dass sie wie Schneeflocken im Sonnenlicht schmelzen.
Ist das nicht wunderschön?
Gedanken - und auch Gefühle - kommen und gehen.
Ganz ähnlich wie die Töne der Musik.
Sie kommen aus der Stille.
Aus dem Urgrund.
Aus dem Großen Geheimnis, das Bankei “das Ungeborene” nennt.
Und er sagt uns:
Wir müssen uns nicht in ihnen verheddern.
Wir müssen ihnen nicht nachlaufen.
Wir müssen sie nicht glauben.
Wir müssen uns nicht mit ihnen identifizieren.
Was für eine Befreiung!
Und doch:
Wenn wir den Mut, die Bereitschaft und die Konzentration entwickeln,
innezuhalten und wirklich hinzuschauen -
was da auftaucht und wieder vergeht,
ohne uns darin zu verfangen -
dann können wir etwas entdecken:
Ein Geschenk.
Eine Gabe.
Nämlich das in uns allen angelegte Vermögen,
stiller Zeuge zu sein.
Wir sind ausgestattet mit der Gabe,
Gedanken und Gefühle zu betrachten,
wie sie kommen,
und wie sie wieder gehen.
Und wir können zuzusehen,
wie sie im Sonnenlicht der Aufmerksamkeit schmelzen.
Lass uns keine Zeit verschwenden!
Lass uns das üben!
Verwirrt durch Gedanken
erleben wir die Dualität des Lebens.
Unbelastet von Ideen
sehen die Erleuchteten
die eine Wirklichkeit.
- Huineng (638-713)