Wenn Stille süß schmeckt
Wie Achtsamkeit den Tag verwandelt
Innehalten
Innehalten.
Zu mir kommen.
Bewusst atmen.
Mich fühlen.
Mich spüren.
Da sein.
Die Vögel zwitschern.
Der kühle Morgen.
Erste Strahlen der Sonne erhellen die Welt.
Was für ein Unterschied –
ob ich einem abfahrenden Zug hinterherhechle,
dessen Türen längst geschlossen sind.
Oder ob ich mich staunend dem öffne,
was schon da ist.
Erinnern
So oft vergesse ich.
Mich selbst. Den Moment. Das Wesentliche.
Und immer wieder erinnere ich mich –
durch das Sitzen.
Durch das einfache Dasein.
Alles hat zwei Seiten:
Form und Leere.
Tun und Sein.
Licht und Schatten.
Die Kunst besteht darin,
beide zu sehen – ohne an einer festzuhalten.
Dann entsteht Tiefe. Weite. Raum.
Fragen, die bleiben
Wenn – wie Avalokiteshvara im Herz-Sutra sagt –
alle Formen leer sind,
was hat dann Bedeutung?
Wofür lohnt es sich zu leben?
Was ist wirklich wesentlich?
Vielleicht liegt die Antwort nicht im Denken,
sondern im Schmecken.
Im süßen Geschmack der Gegenwart.
Der heilige Rhythmus des Morgens
Die Morgenpraxis ist für mich ein kleines Ritual,
um mich mit der Welt zu verbinden.
Ein Prozess, der an die fünf Wandlungsphasen der Chinesen erinnert –
ein innerer Kreislauf von Werden, Wandlung und Ruhe:
Innehalten.
Mich hinsetzen. Stehenbleiben. Zu mir kommen. Den Atem spüren.
Hineinhorchen.
Was ruft mich heute? Was will gehört, was gespürt werden?
Ernten.
Welche Resonanz, welche Klarheit taucht auf?
Reflexion & Dankbarkeit.
Wofür bin ich dankbar – gerade jetzt?
Einsicht.
Welcher Spur möchte ich jetzt folgen? Welchen nächsten Schritt setzen?
In unserer Praxis folgen wir den Bahnen zeitloser Rhythmen.
Kerze in der Dunkelheit
Die Praxis ist wie das Entzünden einer Kerze in der Nacht.
Es braucht einen Funken – die Disziplin, die Absicht, den ersten Atemzug.
Dann leuchtet sie:
Licht, Wärme, Bewusstsein.
Innen und außen, beides gehört zusammen.
Das Streichholz (die innere Energie) entzündet die Kerze (die äußere Form).
Das eine ohne das andere bleibt unvollständig.
Auf dem Weg
Wir sind auf dem Weg der Erkenntnis.
Doch es geht weniger um das Ziel als um das Gehen selbst.
Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug.
Die Erkenntnis folgt von selbst.
Wie es im Dhammapada heißt:
„Den Dingen geht der Geist voran; der Geist entscheidet:
Entspringen reinem Geist dein Wort und deine Taten,
folgt das Glück dir nach, unfehlbar wie dein Schatten.“
Ich übe, ein wenig mehr Licht in die Welt zu bringen.
Das Leiden zu verringern. Freude zu mehren.
Manchmal reicht dafür schon,
mich hinzusetzen,
zu atmen,
da zu sein.
Zum Mitnehmen
Wann hast du zuletzt
den süßen Geschmack der Praxis gekostet?


