心 - Das Herz denkt mit ...
... und kennt den Kurs, auch wenn der Verstand an Seekrankheit leidet
Manche Dinge sind so selbstverständlich, dass wir sie kaum bemerken.
Bis wir innehalten – und plötzlich sehen, dass sie ein ganzes Universum in sich tragen.
Das Herz ist für mich so etwas.
Jener kleine Muskel in unserer Brust, gerade mal so groß wie eine geballte Faust, und der es trotzdem schafft, ohne Pause, ohne Unterbrechung, ein ganzes Leben lang ununterbrochen zu schlagen.
Schon beim Gedanken an diese unfassbare Leistung wird mir fast ein bisschen schwindelig.
Dein Herz pumpt einfach drauflos – Tag und Nacht, Sommer wie Winter, egal, ob du dir dessen bewusst bist nicht.
So versorgt es deinen ganzen Körper mit lebensnotwendigem Sauerstoff und Nährstoffen. Und transportiert Kohlendioxid und Stoffwechsel-Abfälle ab.
Und doch ist es weit mehr als nur ein braver Muskel.
Das Schriftzeichen 心 (xīn auf Chinesisch, kokoro auf Japanisch) bedeutet nicht nur “Herz”, sondern auch “Geist” oder “Seele”.
Diese Doppeldeutigkeit ist typisch für viele asiatische Sprachen.
Im Osten ist das Herz also nicht nur ein Organ, sondern zugleich auch der Sitz von Geist und Seele.
Philosophisch steht 心 für das Zentrum von Geist und Gefühl – ein uraltes Konzept des Herz-Geistes, tief verwurzelt in chinesischer und japanischer Kultur.
Es umfasst Fühlen, Denken und Bewusstsein als Einheit.
In der Zen-Philosophie symbolisiert 心 die Verbundenheit aller Dinge – das Nicht-Zwei, die Einheit von Innen- und Außenwelt, von Gefühl und Verstand.
Es ist das Zentrum bewusster Wahrnehmung, das uns ermöglicht, mit Weisheit und Angemessenheit zu handeln.
Wie richtig die alten Weisen lagen, zeigt heute die moderne Neurowissenschaft.
Seit den 1990er-Jahren ist es nun auch ‘amtlich’, dass das Herz ein eigenes Nervensystem besitzt – ein kleines Gehirn mit rund 40.000 Neuronen.
Man kann also durchaus sagen: Das Herz denkt mit, fühlt, erinnert sich – und schickt Signale an unser Kopfhirn, lange bevor dieses weiß, was los ist.
Deshalb kannst du es im Herzbereich deutlich spüren, wenn du liebst, dankbar bist oder Mitgefühl empfindest.
Das ist dein Herz-Geist!
Frank Ostaseski schreibt:
„Der Abgrund entsteht, wenn wir Herz und Geist voneinander trennen.“
Aber auch das Umgekehrte stimmt:
Indem wir beides verbinden – Denken und Fühlen, das Alltägliche und das Heilige – entsteht: Verbindung, Einheit, Verbundenheit.
„Der Geist kreiert den Abgrund,
das Herz überquert ihn.“
— Sri Nisargadatta Maharaj (1897-1981)
Wenn du magst, leg einmal die Hand auf deine Brust.
Atme ruhig.
Lass für einen Moment alles ruhen.
Verbinde dich mit deinem Herzen.
Kannst du es fühlen?
Das ist dein Herz, das dich erinnert –
an die Liebe,
an das Mitgefühl,
an die Verbundenheit aller Dinge,
an das Meer, das dich trägt.